Frauen in der digitalen Arbeitswelt von morgen

Dokumentation der Abschlusskonferenz im Rahmen des BMBF-Projektes „Frauen in Karriere – Fokus Forschung und Entwicklung“ vom 18. März 2016 in München

Autorin: Dr. Jutta Witte

Die digitale Revolution ist kein vorübergehender Hype, sondern ein epochaler Umbruch mit gravierenden Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Damit öffnen sich neue Handlungsräume, um Frauen und ihre Entwicklung zu fördern. Das BMBF-Projekt „Frauen in Karriere – Fokus Forschung und Entwicklung“ hat ausgehend von der derzeitigen Situation in der IT-Branche und dem Ingenieurwesen das Megathema digitale Transformation und die seit Jahren in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft diskutierte Frage nach einer besseren Frauenförderung zusammen geführt und damit Neuland in der Arbeitsforschung betreten.

Wie groß das Interesse ist an einer zukunftsweisenden Gestaltung der digitalen Arbeitswelt und an der Rolle, die Frauen bei dieser Gestaltung spielen können, zeigt die Konferenz zum Abschluss des Projektes, die unter dem Titel „Frauen in der digitalen Arbeitswelt von morgen – Zukunftsorientierte Gestaltung von Frauenkarrieren in IT und Ingenieurwesen“ am 18. März 2016 in den Räumen der Industrie- und Handelskammer in München stattfand. Rund 150 ExpertInnen aus Unternehmen, Forschung, Politik und Gewerkschaften diskutierten hier über die neuesten Forschungsergebnisse, die Bedeutung der digitalen Revolution, neue Handlungsräume für Frauen und erste Lösungsansätze aus der Praxis.

Im Rahmen der Konferenz präsentierten WissenschaftlerInnen des Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung München und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Gestaltungsszenarien für eine gendergerechte Arbeitswelt in der IT und im Ingenieurwesen und Analysen aus dem Wissenschafts-Praxis-Dialog mit Unternehmen aus der IT- und Elektroindustrie sowie der Finanz- und Versicherungsbranche. Xiaoqun Clever, Mitglied des Vorstands und Chief Technology & Data Officer der Ringier AG, erläuterte in ihrer Keynote, warum die digitale Revolution ein „Sturm“ ist. Ein hochrangig besetztes Podium, auf dem unter anderem die Zweite Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, und Janina Kugel, Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektorin der Siemens AG, vertreten waren, diskutierte über Chancen und Risiken der digitalen Arbeitswelt und zentrale Ansatzpunkte für deren Gestaltung. Engagierte PraktikerInnen stellten innovative Konzepte aus ihren Unternehmen zur Diskussion, die am gegenwärtigen Umbruch anknüpfen und Frauen mit in die digitale Zukunft nehmen können.

Wir haben die ersten Ergebnisse der Veranstaltung für Sie zusammengestellt. Eine ausführliche Handlungsbroschüre zum Projekt ist derzeit in Arbeit.

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Keynote The Perfect Storm – was bedeutet digitale Transformation wirklich?

Xiaoqun Clever Mitglied des Vorstands und Chief Technology & Data Officer der Ringier AG

Für Xiaoqun Clever ist die digitale Transformation ein Sturm, der gegenwärtig über die weltweite Ökonomie hinwegfegt, der keine Industrie ausnimmt und die Unternehmen auch mit Blick auf eine neue Generation von Konsumenten zu einem grundlegenden Wandel zwingt. „Es geht hier um Menschen, um Relevanz und Emotion. Dies zu bewältigen ist kein Sprint, dies ist ein Marathon“, betont die Expertin. Personalisierung von Produkten und Kundenbeziehungen auf der Basis von Big Data ist nach ihrer Überzeugung einer der zentralen Trends, welche die Digitalwirtschaft bestimmen werden. In ihrer Keynote erläutert Clever, wie Unternehmen zu Gewinnern der Transformation werden können, warum traditionelle Unternehmen sich so schwer tun mit dem „Changemanagement“ und warum Frauen gute Chancen haben in einer Arbeitswelt, in der Netzwerke zwischen Menschen statt Hierarchien zählen.

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Ergebnisse aus dem Wissenschafts-Praxis-Dialog

Den digitalen Umbruch von Arbeit als Chance für Frauen nutzen – Gestaltungsszenarien für Forschung und Entwicklung

Bultemeier Anja Bultemeier Wissenschaftlerin am Lehrstuhl für Soziologie I der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

MarrsDr. Kira Marrs Wissenschaftlerin am ISF München

Anja Bultemeier und Kira Marrs sehen in der Gestaltung der Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen den „Lackmustest für eine menschengerechte Arbeitswelt von morgen“. Umso wichtiger ist es nach ihrer Überzeugung, jetzt den Aufbruch der Unternehmen ins digitale Zeitalter zu nutzen, um die Möglichkeitsräume für Frauen offensiv einzublenden und damit zum integralen Bestandteil des Veränderungsprozesses zu machen. In ihrem Vortrag erläutern sie fünf Gestaltungsfelder, die sie auf Basis langjähriger Forschungen entwickelt und im Rahmen eines Wissenschafts-Praxis-Dialogs mit hochrangigen Unternehmen aus der IT- und Elektroindustrie sowie der Finanz- und Versicherungswirtschaft evaluiert haben. Auf dem Prüfstand stehen: das Feld Forschung und Entwicklung, Kollaboration und Vernetzung, Führung, Karriere und nicht zuletzt die neue Flexibilisierung und Mobilität von Arbeit. Von der Bereitschaft in den Partnerunternehmen, radikal neu zu denken und eingefahrene Wege zu verlassen, zeigen sich beide Wissenschaftlerinnen beeindruckt.

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Podiumsdebatte

Wie können wir die digitale Arbeitswelt von morgen für Frauen nachhaltig gestalten?

Welche Chancen und Risiken bietet die digitale Transformation für die Förderung von Frauen, welche Stellschrauben können Unternehmen im Zuge des derzeitigen Umbruchs bewegen, um die Entwicklungsmöglichkeiten weiblicher Beschäftigter voran zu bringen und welche Folgen hat die Digitalisierung insgesamt für Beschäftigte und Führungskräfte, Arbeitskonzepte, Ausbildung und Nachwuchsrekrutierung? Mit diesen Fragen beschäftigte sich unter der Moderation von PD Dr. Andreas Boes ein hochkarätig besetztes Podium. Einig sind sich die DiskutantInnen, dass auf dem Weg in eine gendergerechte, digitale Arbeitswelt trotz Quoten und Zielvereinbarungen noch viel Gestaltung notwendig ist: von Seiten der Unternehmen, aber auch seitens der Politik und Gesellschaft, die jenseits der Wirtschaft Einfluss nehmen auf die Rahmenbedingungen, unter denen Frauen heute Karriere machen. In den Fokus rücken dabei unter anderem die Förderung von Agilität und Vielfalt, neue Führungsprinzipien und Formen der Arbeitszeitgestaltung sowie faire Standards für digitale Arbeit. Klar ist allen, dass der Umbruch Mut erfordert zu massiven Veränderungen, die aber Frauen und Männern zu Gute kommen können.

Moderation: PD Dr. Andreas Boes, Vorstandsmitglied des ISF München

Zitate:

Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall: Die Digitalisierung kann nicht alle Themen, die Frauen in den Unternehmen bewegen, schlagartig zum Guten wenden. Wir werden auch hier gestalten müssen.

Janina Kugel, Mitglied des Vorstands und Arbeitsdirektorin der Siemens AG: Wir bei Siemens glauben an das Potential gemischter Teams. Gerade in der digitalisierten Arbeitswelt ist Vielfalt eine wichtige Voraussetzung für Innovationen und Wachstum. Führungskräfte müssen diese Vielfalt nicht nur managen, sondern auch fördern.

Jörg Staff, Mitglied des Vorstands und Arbeitsdirektor der Fiducia & GAD IT AG: Diversity und Gendergerechtigkeit müssen in die aktuellen Business-Themen und -Prozesse im Unternehmen integriert werden. Dabei müssen wir auch die Männer mitnehmen oder zu „Promotoren“ machen. Polarisierung hilft hier nicht weiter.

Margret Klein-Magar, Stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats und Sprecherin der leitenden Angestellten der SAP SE: Agilität und genaue Kenntnisse über das Konsumentenverhalten führen Unternehmen in die digitale Zukunft. Frauen müssen sich überlegen, wo sie in dieser neuen Welt Wirksamkeit entfalten können.

Praxischeck Unternehmen

Neue Möglichkeiten für Frauen in der digitalen Arbeitswelt gestalten

Seit vielen Jahren engagiert für das Thema Frauenförderung zeigen Expertinnen der Volkswagen Financial Services AG, Siemens Corporate Technology AG, Fiducia & GAD IT AG, SAP SE und Robert Bosch GmbH, welche Anknüpfungspunkte sie und ihre Organisationen sehen, um mit Blick auf die digitale Transformation die Förderung ihrer weiblichen Beschäftigten neu zu denken und weiter zu verbessern. Sie erklären darüber hinaus Konzepte und Ideen, die bereits auf dem Weg sind, die Entwicklungschancen von Frauen schon jetzt voran bringen und im Zuge des gegenwärtigen grundlegenden Wandels weiteren Aufwind bekommen könnten. Im Zentrum ihrer Überlegungen stehen die Neugestaltung von Führung, Konzepte für kollaboratives Arbeiten in Teams und bereichsübergreifenden Netzwerken, die Öffnung von Kommunikation und Wissensaustausch, die Förderung von Vielfalt und neue Strategien für den Kompetenzerwerb und die Nachwuchsrekrutierung. Unabhängig von einzelnen Schwerpunktsetzungen ist eine neue Unternehmenskultur, die auf Dialog und Vertrauen aufbaut, die Klammer für alle Maßnahmen.

Im Folgenden finden Sie die ausführlichen Beiträge der Unternehmen:

Ellen Dierkes, Frauenförderung und Diversity Management, Volkswagen Financial Services AG 

Dr. Elvire Meier-Comte, Senior Consultant Innovation Strategy, Siemens Corporate Technology

Claudia Benz, HR Business Partnerin, Personalmanagement, Fiducia & GAD IT AG

Christine Regitz, Vice President User Experience, Sprecherin des Business Women´s Network Deutschland und Mitglied des Aufsichtsrats, SAP SE

Elly Siegert, Personalleitung, Robert Bosch GmbH

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